Mai 2004

Armes Deutschland

Folgende Geschichte würde ich eigentlich niemandem glauben, doch ich habe die Beweise gesehen und musste ziemlich durchschnaufen. Wie schon so oft bei meinem Hammer des Monats sind Namen weggelassen und unwesentliche Fakten etwas abgeändert, so dass die wahre Identität der Betroffenen  nicht offenkundig wird.

Also: in einer Hauptschule Baden-Württembergs wurde wie von allen Schülern der Abschlussklassen auch von einem bestimmten Schüler eine Lehrstelle gesucht, doch halt, nicht er suchte, sondern für ihn wurde gesucht und der Herr Papa  wurde auch schnell fündig. Der Personalchef einer Niederlassung einer Weltfirma stand parat und meinte, der junge Mann passe hervorragend in seine Graphic-Designabteilung. Dort hätten normalerweise zwar nur Leute mit Abitur eine Chance, doch könne ein Hauptschüler das sicherlich auch. Es mache auch nichts aus, dass der Jugendliche wohl etwas faul sei und von Leistung nicht viel halte. Letzteres bewies der Schüler, indem er partout keine Lust hatte, eine einfache Bewerbung zu schreiben und abzuschicken, obwohl dies in der Schule fast zum Erbrechen geübt worden war.

Damit war also klar, der junge Mann würde die Lehrstelle nicht bekommen!? Doch denkste: der Vertreter unserer Weltfirma ging hin, schrieb die Bewerbung selbst und schickte sie dem Faulpelz zur Unterschrift zu. Immerhin brachte er den vorgefertigten Brief zur Post, welch eine Leisung!!  Mir persönlich ist nicht so ganz klar, wem da der Frack ärger verschlagen gehört: dem Jungen oder dem Personalchef.

Ein Wort noch zum Schluss! Ich halte Hauptschüler - solche unterrichte ich selbst ja schließlich auch - nicht für dumm und glaube auch, dass jeder Hauptschüler seinen Weg gehen kann, bei entsprechender Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft sind auch für ihn höhere Ziele möglich. Vor jedem, der mit Hauptschulabschluss  oder mit Mittlerer Reife über weitere Bildungsgänge sein Abitur baut, ziehe ich voller Hochachtung den Hut. Es gibt sogar solche, die über berufliche Qualifikationen Traumziele erreichen, doch soweit ich weiß, bekam noch keiner etwas geschenkt.

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