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Februar 02

Stammtischparolen

Warum die Sendung des Herrn Backes den Hammer des Monats verdiente, zeigt folgende Mail an ihn. Natürlich fand es der Herr nicht nötig zurück zu mailen. Wahrscheinlich beschäftigt ihn die Suche nach abstrusen Gästen für seine abstrusen Sendungen zu sehr!

 

Sehr geehrter Herr Backes,

eigentlich wollten wir Ihnen eine längere, argumentative Stellungnahme zu Ihrer gestrigen Sendung "Lehrer - Sündenböcke der Nation" zusenden.

Nach kurzer Diskussion beschränken wir uns aber darauf Ihnen zu bescheinigen, dass Sie von Schule keine, aber auch nicht die geringste Ahnung haben. Dies zeigt zunächst schon einmal die Auswahl Ihrer Gäste. Glauben Sie wirklich, dass ein Schulleiter eines Gymnasiums, der zudem noch Oberstufe unterrichtet, repräsentativ ist für das deutsche Schulwesen, wenn es um die Ergebnisse der PISA-Studie geht? Oder gar eine Einser-Abiturientin?

Die Ergebnisse von PISA fielen doch nicht so schlecht wegen der mangelhaften Leistungen der Gymnasiasten aus, sondern wurden von Hauptschülern (und Sonderschülern)nach unten gedrückt.

Wir arbeiten beide an einer Schule für Erziehungshilfe an einem Kinderheim (Haus Nazareth Sigmaringen), früher hieß diese Art von Schule "Schule für schwererziehbare und sittlich gefährdete Kinder und Jugendliche"; Sie mögen mit Recht einwenden, dass solch eine Schule gewiss auch nicht repräsentativ sei, doch arbeiten wir auch als sogenannte Kooperationslehrer im Bereich des SSA Sigmaringen. Dies bedeutet, dass wir Kolleginnen und Kollegen draußen an den Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen beraten und begleiten, wenn sie schwierige Kinder in ihren Klassen haben. Wir können in dieser Funktion die Verhältnisse nur bestätigen, wie sie von der Hauptschulkollegin aus Bayern geschildert wurden. Nebenbei gefragt: Warum musste es ausgerechnet eine sein, die es nicht mehr ausgehalten hatte und krank wurde? Wären Sie doch einfach raus aus Ihrem Sender gegangen und hätten Sie die nächste Hauptschule angesteuert; jeder x-beliebige Kollege hätte die Zustände ebenso schildern können. Zustände und Schwierigkeiten, von denen Sie mit Sicherheit keine Ahnung haben, oder können Sie sich beispielsweise vorstellen, was es bedeutet, wenn von 25 Schülern drei die Hausaufgaben nicht haben, zwei Buch oder Heft vergessen haben, zwei  unvollständige und zwei keinerlei Arbeitsnmaterialien dabei haben? Dies wäre noch nicht mal so schlimm, könnte man das bei den Eltern monieren!!! Doch die reagieren nicht!

Was glauben Sie, wie Unterricht aussieht, wenn sich drei Mädchen einer Klasse vor Schulbeginn in der Stadtmitte auf brutale Art prügeln, zwei der Mädchen das dritte in eine öffentliche Toilette drängen und dort den Kopf in die Kloschüssel drücken? Wir könnten Ihnen noch dutzende ähnlicher Vorfälle hier nieder schreiben, doch beschränken wir uns auf ein weiteres, das aber sicherlich das gesamte Dilemma im Bildungswesen offenbart: in einer Schule irgendwo in Baden - Württemberg entwendete ein Schüler verschiedene Werkzeuge aus dem Technikraum und zeigte diese dann anderen im Schulbus; der Schulleiter erfuhr davon und wandte sich an die Eltern; diese behaupteten, ihr Sohn habe das Werkzeug sicherlich nicht gestohlen, sie selbst hätten ihrem Sprößling eine Woche zuvor eben dieses Werkzeug gekauft, es handele sich halt zufällig um die Erzeugnisse der gleichen Herstellerfirma. Die Schulleitung konnte hier nichts mehr ausrichten.

Damit wird klar, dass wir in unserer Gesellschaft wieder klare Richtlinien und vor allem eine gestärkte Position der Schule brauchen. Wir bejahen absolut jedes Elternrecht, doch wir fordern auch vehement die Elternpflicht; die Pflicht, die Kinder rechtzeitig schlafen zu schicken, den Kindern ein ausreichendes Vesper mitzugeben, die Schulsachen allwöchentlich durchzuschauen, die Kinder zu einem fürsorglichen Umgang mit geliehenen Schulbüchern anzuleiten (und nicht nur zu feiern, dass alle Unterrichtsmaterialien kostenfrei zu stellen sind), zusammen mit den Kindern eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung auszuüben, den Kindern nicht nur materielle Anreize zu bieten, den Sprößlingen eine gewisse Streitkultur beizubringen, Pünktlichkeit einzufordern und...und...und...und vor allem auch einen akzeptablen verbalen Umgang mit MitschülerInnen und gegenüber Lehrern zu pflegen. Dies alles muss mit aller Konsequenz eingefordert werden und werden grundlegende Regeln nicht befolgt, dann müssen eben Konsequenzen folgen, Konsequenzen übrigens, die man als Lehrer im Prinzip heute überhaupt nicht mehr durchsetzen kann.

Sie können uns glauben, dass wir äußerst engagiert unseren Beruf ausüben, tagtäglich durch Gespräche mit dem Jugendamt, Schulamt, mit Eltern, Lehrern Psychologen, Ärzten etc. bis in den Abend hinein gebunden sind (logischerweise führen wir auch noch jeweils unsere eigene Klasse), reißen uns förmlich den Arsch auf und dann kommen Sie und prügeln verbal auf die Lehrer ein. Ein W. Backes kann uns natürlich nicht demotivieren (dazu war die Sendung einfach zu stümperhaft), doch glauben wir, dass solche Sendungen wie die Ihre genau das bei manchen Kollegen erreichen wird. Sie demonstrieren wie so viele andere Sachkenntnisse über die Schule, nehmen sich das Recht heraus, Lehrerarbeit beurteilen zu können und das kommt natürlich heutzutage bombengut an beim Publikum, da sagt sich mancher Lehrer: was soll das eigentlich noch?

Sie versteigen sich in der Sendung sogar dazu, einen Vergleich mit anderen Berufsgruppen zu ziehen und betonen, wie schwer es doch Ärzte haben. Wissen Sie, was passiert, wenn ich im Krankenhaus einen Arzt als dummen Wichser oder eine Ärztin als blöde Fotze bezeichne? Neben der Anzeige fliege ich hochkant aus dem Krankenhaus, in das ich ohnehin freiwillig gegangen war. (Selbiges würde mir in Ihrer Sendung passieren, führte ich mich so auf!!) Wissen Sie aber auch, dass diese Ausdrücke (und andere) inzwischen üblich sind an den Schulen, auch Lehrern gegenüber? Und wissen Sie, was passiert? Vielleicht Nachsitzen, eine Strafarbeit, im Extremfall mal ein mehrtägiger Schulausschluss, sonst nichts, da eben für härtere Konsequenzen die Unterstützung durch die Eltern fehlt.

Natürlich gibt es noch vielerlei Gründe (auch schulimmanente), die zu d i e s e m PISA führten; Gründe, auf die wir hier nicht mehr eingehen wollen.

Gerne würden wir auch mal ein Buch schreiben uber unsere Erfahrungen und Erlebnisse, doch bleibt uns leider nicht so viel Zeit wie Ihrem Gast aus der gymnasialen Oberstufe!

Als Fazit bleibt für uns, dass Sie dazu beigetragen haben, das Bild der Lehrer in der Öffentlichkeit weiter zu diskreditieren; mit Stammtischparolen brachten Sie die Zuschauer auf Ihre Seite, für Insider "glänzten" Sie jedoch durch Ignoranz.

Mit freundlichen Grüßen

H. und E.  Raab

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