November 02

Holzauge sei wachsam...

Es war eigentlich eine ganz normale Frage in einer ganz normalen Klassenarbeit in einer 8.Hauptschulklasse und somit hier überhaupt nicht erwähnenswert. Sie lautete schlicht und einfach: Wie heißt die Verbindung vom Auge zum Gehirn?”. Nun gestehe ich ja manchem Schüler zu, dass er den Bau des Auges nicht lernte und auch im Unterricht nicht aufgepasst hatte, der Sehnerv für ihn also nicht unbedingt wichtig ist (zumindest was das Wissen um die Existenz eines solchen betrifft!!).

Wenn aber ein Mädchen als Antwort “Klitoris” schreibt, dann haut das dem Fass den Boden aus. Nicht etwa, weil sie den Sehnerv nicht benennen konnte, sondern weil ein fast fünfzehnjähriges Mädchen von seiner eigenen Körperlichkeit keine Ahnung hat.. Nun könnte man / frau mir natürlich den Vorwurf machen, das läge sicherlich an der mangelhaften Aufklärungsarbeit in meinem Biologieunterricht. Doch nehme ich für mich in Anspruch, sehr sachlich, sehr offen und gemessen an den Bedürfnissen von 8.Klässlern tabulos das Thema Sexualität zu behandeln. Dazu gehört auch, dass ich für die Schülerinnen extra eine Frauenärztin in den Unterricht hole und diese mit den Mädchen ohne männliche Schüler und ohne männlichen Lehrer über alle anstehenden Fragen spricht.

Man sollte auch meinen, dass das Thema Sexualität in allen Medien hinreichend und offen zur Sprache kommt. Gerade besagte Schülerin lässt keinen Artikel vom BRAVO - Dr.Sommer aus und dennoch existieren Wissenslücken. Das Schlimme ist meiner Beobachtung nach, dass für viele unserer Hauptschüler eine Frau aus Brust und Vagina, ein Mann aus Penis und Hoden besteht. Es muss wohl nicht hinzugefügt werden, dass diese Begrifflichkeiten zwar auch dem Namen nach benannt werden können, jedoch generell in der Vulgärsprache ausgedrückt werden. Ohnehin fällt auf, dass die Ausdrucksweise innerhalb der Schülerpopulation sexistisch geprägt ist und wirklich oftmals weit unter die Gürtellinie reicht. Da sind Wörter wie Hurensohn, Mutterf***** noch vornehm ... Und sage mir keiner, das sei hauptschulspezifisch! Als ich vor Jahren in einem Zug, der vornehmlich mit älteren Internatsschülerinnen besetzt war, mitfuhr, schlackerten mir die Ohren und ich “lernte” Vokabeln der besonderen Art!

Natürlich waren wir in unserer Jugend auch keine Lämmer, natürlich fielen auch bei uns (unter vorgehaltener Hand) deftige Ausdrücke und auch heute würde ich mich nicht als prüde bezeichnen, ein eindeutig zweideutiger Witz ruft bei mir sicherlich keine Empörung hervor. Was mich aber stört ist die Tatsache, dass oft nur auf primitive Weise über Sexualität geredet wird, ja, es werden Allerweltsthemen, die mit Sex überhaupt nichts zu tun haben, sexistisch belegt.

Was halt in diesem Zusammenhang überhaupt nicht “in meine Rübe” rein will ist die Tatsache, warum dies so ist in einer Zeit der absoluten Aufklärung ohne Tabus. Irgendwann müsste das doch für alle einfach nur normal sein...??

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